Das städtische Projekt „Energetische Quartierssanierung“ widmet sich den Möglichkeiten der Altbausanierung in zwei Pilotarealen in beiden Stadtteilen. Fachlich federführend ist die Arbeitsgemeinschaft Steinfurt 2025. Um die Möglichkeiten aufzuzeigen, gibt es jetzt ein Musterhaus in Borghorst. Die Familie Weßling hat dort einen Altbau aus den 50er-Jahren modernisiert. Die WN waren bei einem Rundgang dabei.
Von Ralph Schippers
BORGHORST Rotbraune Klinker, anthrazitfarbenes Dach, vorbewitterte Zinkscharren an der Traufe, moderne Eingangstür: Wer das Einfamilienhaus der Familie Weßling am Overbergweg betrachtet, tippt auf einen Neubau. Ganz falsch liegt man mit dieser Einschätzung nicht, im Kern indes stammt das Gebäude aus den 1950er-Jahren. In der Wirtschaftswunderzeit errichtet, diente es jahrzehntelang einer sechsköpfigen Familie als Domizil. 2019 erwarben es Dirk und Dorothee Weßling vom Vorbesitzer, der sich, inzwischen alleinstehend, verkleinern wollte. Ihr Plan: Den gut erhaltenen Altbau modernisieren und ihn als Heimstätte für sich und den achtjährigen Sohn Noah fit für die Zukunft zu machen.
Stellten ihr Haus Bürgermeisterin Claudia Bögel-Hoyer (r.) sowie den Stadtwerke-Mitarbeitern Tobias Wünnemann (2.v.r.), Rolf Echelmeyer (3.v.r) und Hanna Companie (M.) vor: Familie Weßling mit Vater Dirk, Mutter Dorothee und Sohn Noah, der auf dem kleinen Bild links die Brennstoffzellenheizung präsentiert. Rechts das Haus vor dem Umbau. (Ralph Schippers/privat) Die Besonderheit dabei: Das Haus, in das die Weßlings nach gut einjähriger Umbauzeit im Mai eingezogen sind, dient als Referenzhaus für das Projekt „Energetische Quartierssanierung“, eines der Kernthemen der lokalen Arbeitsgruppe Steinfurt 2025, kurz AG 2025. „Dieses Haus zeigt, was insbesondere in Sachen energetische Sanierung möglich ist“, betonte Stadtwerkechef Rolf Echelmeyer beim Pressetermin.
Der lokale Energieversorger ist einer der Akteure der AG, zu denen unter anderem auch die Stadt, die FH, der Verein „energieland2050“ sowie Architekten, Energiefachleute sowie Vertreter des Handwerks gehören. Sie alle haben sich zusammengetan, um zunächst innerhalb zweier Pilotbereiche Möglichkeiten der Erneuerung von Wohngebäuden aufzuzeigen, die in der Nachkriegszeit entstanden und deren Bewohner im Rentenalter sind oder bei denen ein Generationswechsel im Besitz ansteht.
Im Borghorster Projektgebiet „Overbergweg/Niedenkampstraße“ ist es das Haus der Familie Weßling, das nicht nur als eines der ersten modernisiert wurde, sondern auch durch die Konsequenz des Umbaus hervorsticht. Beste Voraussetzungen also, um es zu einem Musterhaus zu machen.
„Als wir gefragt wurden, ob wir uns das vorstellen konnten, waren wir gerne dazu bereit“, berichtet der Bauherr. Die AG 2025 und Partner, darunter viele lokale Handwerksbetriebe, standen der Familie im Gegenzug beratend zur Seite. Als i-Tüpfelchen gab?s noch ein Sponsoring der Stadtwerke: Der Energieversorger stellte die Wallbox zur Verfügung, mit der die Batterie des Hybrid-Passat in der Garage geladen wird.
Mit viel Eigenleistung und der Unterstützung von handwerklich versierten Freunden haben die Weßlings den 1950er-Jahre Bau in die Neuzeit getragen. Vor allem die Haus- und Energietechnik des von 115 auf 194 Quadratmeter Wohnfläche vergrößerten Hauses beeindruckt. Automatisch werden Licht, Rollladen, Belüftung und Klimaanlage gesteuert, die Netzwerktechnik im Keller nimmt einen ganzen Schrank ein. „Es gibt insgesamt nur sieben Schalter im ganzen Haus“, berichtet Dirk Weßling, der sich selbst als „ziemlich technikaffin“ bezeichnet.
Highlight ist indes die Heizung: Keine Wärmepumpe, wie man vermuten könnte, sorgt für angenehme Temperierung, sondern eine erdgasbetriebene Brennstoffzelle. Zweiter Energielieferant ist die 9,9-Kilowatt-Photovoltaik-Anlage auf dem Süddach. „Bilanziell sind wir damit energieautark“, sagt der Bauherr. Mit dazu beigetragen hat natürlich auch die gute Wärmedämmung von Hauswänden, Fenstern und Dach.
Die Stadtwerke haben die junge Familie gerne bei der Umsetzung ihres Projekts unterstützt, betont Vertriebsleiter Tobias Wünnemann. Für den Energieversorger sind Entwicklungen in der Hausenergieversorgung ein wichtiges Zukunftsfeld, in dem er frühzeitig mitspielen will. „Wir sind daher auch sehr daran interessiert, wie sich die Energiebilanz im Musterhaus entwickelt“, sagt Echelmeyer.
Der Stadtwerkechef hofft wie Bürgermeisterin Claudia Bögel-Hoyer, die sich beim Vor-Ort- Termin ebenfalls beeindruckt von den Möglichkeiten in der Altbausanierung zeigte, dass viele diesem Beispiel folgen. Das Potenzial ist groß: Die weitaus meisten Immobilien der Kreisstadt stammen aus den 1950er- und 60er-Jahren.
Nicht immer müsse es die Komplettsanierung sein, räumen die Projektverantwortlichen ein. Sie verweisen auf Verbundlösungen mit Nachbarn oder auch die Möglichkeit der Finanzierung durch einen Teilverkauf des – in der Regel – recht großen Grundstücks. Was sie in jedem Fall anbieten können, sei eine unverbindliche Beratung. Seit Anfang dieser Woche gibt es dafür eine konkrete Ansprechpartnerin: Hanna Companie steht als Sanierungsmanagerin der Stadt für die Beantwortung von Fragen wie zum Beispiel Fördermöglichkeiten zur Verfügung.
Die Weßlings haben ihr Projekt schon umgesetzt – und sind nach eigener Aussage glücklich in ihrem modernisierten Altbau. „Wir würden es immer wieder so machen“, zieht Dorothee Weßling ein positives Fazit. Ein großes Lob haben sie für die beteiligten Handwerksbetriebe parat, die größtenteils aus Steinfurt stammen.
Wer Interesse hat, das Musterhaus der „Energetischen Quartierssanierung“ zu besichtigen, kann über die Stadtwerke, Telefon 0 25 52/70 75 01, einen Termin vereinbaren.